Große Häuser wagen es selten, Opern Lortzings auf die Bühne zu bringen. Umso mehr ist die Semperoper dafür zu loben, dass sie den Wildschütz auf den Spielplan setzte. Große Häuser scheitern nicht selten daran. Das Schicksal ist Dresden erspart geblieben. Der Semperoper gelang eine weithin sehens- und hörenswerte Aufführung. Ein Publikumsrennerist die Aufführung allerdings leider auch nicht. Ich bin mir nicht so sicher, ob ich die Semperoper jemals so leer gesehen habe. Entsprechend dürftig fiel der Szenenapplaus aus. Der Schlussbeifall war allerdings überaus freundlich.
Die Oper wurde vollständig gespielt, allerdings mit den üblichen Strichen innerhalb der Nummern. Der Dialog blieb teilweise erhalten, wurde an anderen Stellen übel modernisiert. Da Pankratius auch sein Dialekt genommen wurde, verlor die Rolle jeglichen Charme. An einigen Stellen wurde der Text unnütz obszön.
Musiziert und gesungen wurde auf höchstem Niveau. Auch die ausländischen Sänger sangen außerordentlich textverständlich. Für ihre Soli waren die Übertitel nicht notwendig, leisteten aber viel für die Verständlichkeit in den Ensembles.
Die musikalische Leitung lag bei Alfred Eschwegé. Es ist erfreulich, einmal ein Orchester von der Qualität der Sächsischen Staatskapelle mit der Musik Lortzings zu hören. Staatsopernchor und der Kinderchor der Staatsoper blieben dahinter nicht zurück. An Emily Dorns Interpretation der Rolle der Baronin hatte ich buchstäblich meine helle Freude. Georg Zeppenfeld als Baculus und Carolina Ullrich als Gretchen blieben dahinter nicht zurück. Detlef Roth als Graf von Ebersbach startete erfreulich, ließ aber im Laufe des Abends stark nach. Im 3. Akt klang er nicht mehr erfreulich. Hingegen füllte Steve
Davislim seine Rolle als Baron Kronthal stimmlich hervorragend aus. Auch Sabine Brohm als Gräfin und Reinhild Buchmayer als Nanette gehören von ihren Gesangsleitungen her auf die Habenseite der Aufführung.
Es scheint momentan ein Konsens zwischen den Bühnenbildnern zu bestehen, zumindest den 1. Akt im Puppenstubenformat auf die Bühne zu stellen. So auch in Dresden (Bühne: Mathis Neidhardt). Ich gehe davon aus, dass ab dem 2. Rang nicht mehr wirklich etwas zu sehen war. Das enge Schulzimmer wurde recht gut getroffen. Die Jagdszene ist dann nur noch albern. Großzügiger werden die beiden letzten Akte behandelt, wobei der Grundton braun bleibt. Dadurch wirkt die Bühne etwas düster. Die Inszenierung wird — auch das scheint Standard zu ein — im frühen 20. Jahrhundert angesiedelt. Das macht zwar gar keinen Sinn, aber wann hätten derartige Bedenken jemals einen Regisseur (hier: Jens-Daniel Herzog) geplagt? Nicht nur die Jagd geriet extrem albern — der Baron zieht den Grafen in einem Bollerwagen! — sondern auch die Schauspielaufführung. In anderen Szenen — Billard — war die Personenführung gelungen.
Alles in allem also eine durchaus geglückte Aufführung mit kleinen Mängeln.
Bernd-Rüdiger Kern, besuchte Aufführung: 5. November 2015