Schon die Bilder im Aushang ließen Schlimmes befürchten. Als sich der Vorhang hob, wurden die Befürchtungen noch übertroffen. Im Hintergrund stapelten sich Container, vorn gab es ein Dixie-Klo und moderne Stühle. Der Chor saß untätig herum und sang: „Greifet an und rührt die Hände“. Der einzige, der seine Hände rührte, war der Zar, der eine mittelgroße Kiste über die Container zog. Der Grund dieses Tuns blieb unklar. Im Zeitalter von Containerhäfen muss keiner mehr überdimensionierte Kisten schleppen. Der Chor hingegen sah aus wie ein Streikposten, der für die 8-Stunden-Woche kämpft und sich fragt, ob denn wirklich in jeder Woche so lange gearbeitet werden müsse. Der Containerhafen blieb ein solcher und wandelte sich nicht zur Werft. Offensichtlich reichte dem Regisseur (Walter Sutcillfe) oder (wahrscheinlicher) der Bühnenbildnerin (Okarina Peter) die Assoziation Werft = Wasser = Hafen aus. Dass für Lortzing das Werk nicht nur der Schiffsbau war, sondern auch der Bau des Staatsschiffes, ging — um im Bild zu bleiben — in Bremerhaven unter. Und warum der Zar ein Jahr lang unnütz Kisten schleppt, um Russland zu modernisieren, blieb gleichfalls unklar.
Hinzu kam eine geradezu obszöne Handlungsdarstellung und eine ebensolche Sprache, die von Lortzings Prosatexten nichts übrig ließ. Die arme Marie war so nuttig ausstaffiert, dass es nur folgerichtig war, sie das Brautlied nicht singen zu lassen. Dass ihr damit der einzige Soloauftritt genommen wurde, ist allerdings schade und nimmt der Rolle viel.
Warum die Aufführung dennoch zu den erfreulichen zählt, liegt einzig an den überragenden Sängern. Während anderenorts leicht einmal etwas schmalbrüstige Sänger sich an Lortzing versuchen, verfügt Bremerhaven über eine Sängerriege, die allen Wünschen gerecht wurde. Dabei fällt es schwer, eine Rangfolge festzulegen. Regine Sturm als Marie sang wunderbar. Desto lieber hätte man von ihr auch das Brautlied gehört. Thomas Burger als Peter Iwanow war ihr ebenbürtig. Sehr gut gefiel mir auch Filippo Bettoschi als Zar. Seine Soli waren phänomenal. Oliver Weidinger als Bürgermeister war so rollendeckend besetzt wie der Marquis de Chateauneuf mit Tobias Haaks.
Das Orchester unter der Leitung von Ido Arad ließ jedenfalls in der Ouvertüre einige Ungenauigkeiten hören. Der Chor war nicht immer einer Meinung mit dem Dirigenten.
Bernd-Rüdiger Kern, besuchte Vorstellung: 14. Mai 2015