Die fast vergessene und vor 170 Jahren zuletzt gespielte Oper Zum Großadmiral von Albert Lortzing hat wieder das Licht der Opernbühne erblickt.
Dank dem engagierten und lortzingbegeisterten Intendanten des Annaberger Theaters, Herrn Ingolf Huhn, der mit seinen Mitstreitern in akribischer Kleinarbeit das Orchestermaterial zusammensetzte und an der kompletten Wiederbelebung des sehens- und hörenswerten Werkes erheblich beitrug. Die Oper wurde in Wien komponiert und 1847 in Leipzig uraufgeführt. Nach einigen weiteren Vorstellungen in Wien, München und Breslau verschwand das Werk, geschrieben während der Revolutionszeit und wohl wegen royaler Kritik an der Obrigkeit, in der Versenkung. Die Premiere erfolgte nun am 28. April 2019 im Eduard von Winterstein Theater in Annaberg- Buchholz.
Die stimmige und lortzinggerechte Inszenierung vom Regisseur Ingolf Huhn führt uns ins 17. Jahrhundert an den englischen Hof. Heinrich (Jason Lee), Thronerbe von England, verlustiert sich mit seinen Kumpanen auf der Jagd und in unsittlichen Lokalitäten, pfeift auf seine holde Gattin im heimischen Schloß und auf höfische Zeremonien. Der Prinz ist ein lustiger, quicklebendiger und sympathischer Geselle, der darstellerisch und sängerisch ganz schön auf die Pauke haut. Seine stattliche Gattin, Catharina (Bettina Grothkopf), melancholisiert in schönen Gesangstönen und möchte ihren Gatten ins eheliche Bett und zu seinen höfischen Pflichten zurückholen. Mit Heinrichs Partyfreund, Graf von Rochester (Jason-Nandor Tomory), ein attraktiver und cooler Typ, dem die Frauen buchstäblich zu Füßen liegen, schmiedet sie einen Plan. Rochester geht den Deal ein, denn er liebt eine Hofdame und benötigt zur Heirat die Einwilligung Catharinas.
Auch an seinem Geburtstag pfeift der Prinz auf eine steife edikettenbeladene Feier und ist froh, als Rochester ihn doppelsinnig „Zum Großadmiral“ zitiert. Doch es die Hafenspelunke „Zum Großadmiral“, in der sich die maritime Unterwelt tummelt und Heinrich, inkognito als Matrose, als erstes gönnerhaft eine Saalrunde schmeißt. Während des Gelages wird ihm, eingefädelt von Rochester, seine Geldbörse geklaut. Der Wirt und ehemaliger Pirat Copp Movbrai (Làzlò Varga – in Szene und Gesang sehr gut) mit Augenklappe und Seeräuberoutfit prahlt von seinen Raubzügen und belustigt die johlenden und bestens gelaunten Kneipenzecher. Auch der junge Page vom Grafen Rochester (Madalaine Vogt), eine Hosenrolle bei Lortzing, ist bei den nächtlichen Ausschreitungen stets dabei und verknallt sich in die Wirtsnichte Betty (Anna Bineta Diouf). Er nähert sich, zunächst ebenfalls inkognito, der hübschen schwarzgelockten Maid mit wohlklingendem Timbre, cherobinohaft und in Liebesangelegenheiten eher unbeholfen. Der Wirt präsentiert die Rechnung, die Heinrich nicht bezahlen kann und gibt dafür einen wertvollen Ring als Pfand. Doch es bestehen Zweifel, denn der Ring trägt königliche Initialen und Heinrich wird als Dieb und Dealer festgesetzt. Allein muss der Prinz die Nacht eingesperrt in der Kneipe verbringen, auch das gehört zum Plan Rochesters, und hat nun Muße, sein lotterhaftes Leben zu überdenken. Rochester begleicht heimlich die Zeche, ist aber besorgt, dass der Prinz ihm seinen „Denkzettel“ übel nimmt.
Am nächsten Tag taucht der Großadmiralswirt Copp Movbrai im Schloß auf, um den Ring zurückzubringen, und erkennt in Heinrich den Matrosen und nächtlichen Zechpreller. Doch in der Nacht sind wohl alle Katzen grau und die Angelegenheit wird schnellstens unter den Teppich gekehrt. Das Happy-End ist unvermeidlich: die liebenden Paare finden zueinander, Heinrich gelobt, kniend mit zerknirschter Mine, Besserung und Catharina nimmt Heinrichs Abbitte stolz entgegen.
Das Idyll im gemeinsamen Abgesang ist aber wohl nur Fassade.
Das Ensemble des Annaberger Theaters ist musikalisch und darsterllerisch bestens aufgelegt. Die Damen und Herren des Chores (Einstudierung Jens Olaf Buhrow) bewegen sich royal am englischen Hof in wunderschönen barocken Kostümen (Brigitte Golbs) und frivol und ausgelassen in der schmuddeligen Kneipe. Der 1. und 3. Akt spielt im herrschaftlichen Anwesen, kühl ausgestattet mit Balkonen, Lüster, Balustraden und opulenten Wandmalereien. Durch das Verhüllen der Schlossfassade mit grauen Tüchern, schummriger Beleuchtung und einigen Seemannsaccessoires entsteht im 2. Akt das nötige Spelunkenflair (Bühne Tilo Staudte).
Für die Solisten hat Lortzing anspruchsvolle Soli und Ensemble komponiert, die gesanglich und textverständlich (auch in den Dialogen) sehr gut interpretiert wurden. Das Orchester (GMD Naoshi Takahashi) musizierte fröhlich und herzerfrischend. Das Publikum dankt der beglückenden Wiederentdeckung mit langem Beifall.
Und jetzt an die Intendanten im deutschsprachigen Raum – die Noten liegen bereit!
Petra Golbs, besuchte Vorstellung 28. April 2019